Absolvieren und noch kein richtiger Job. Wohngeld oder Bürgergeld beantragen?

Problembeschreibung

Der Ex-Studierende möge seinen Masterabschluss mit 24 Jahren erlangt und nach der letzten Prüfung seinen Antrag auf Exmatrikulation mit Wirkung zum Monatsende gestellt haben. Weil er während des Studiums in der gesetzlichen Familienversicherung bleiben wollte, hat er seinen Nebenjob immer unter 556 € (2024: 538 €) gehalten. Mit der Exmatrikulation entfällt die Familienversicherung und die sogenannte freiwillige Versicherung würde ca. 260 € kosten. Weil von den Eltern keine Zahlungen zu erwarten sind, würfe der beibehaltene Minijob nicht genug zum Leben ab. Folglich ist ein Antrag auf Bürgergeld beim Jobcenter eine sinnvolle Alternative (Einiges zur Antragstellung, PDF). Das kombinierte Vermögen auf Spar- und Girokonto sei hier unter 15.000 € und ist damit unschädlich für den Antrag. Durch den Leistungsbezug wird eine besondere Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgelöst, deren Kosten direkt zwischen Jobcenter und Krankenkasse abgewickelt werden, womit das bei der Bedarfsberechnung außen vor bleibt.

An dieser Stelle können nicht alle Aspekte einer Antragstellung erörtert werden. Es wäre z.B. sinnvoll über Einkommens- und Vermögensanrechnung zu sprechen sowie die üblichen Anforderungen der "Selbsthilfe" durch Arbeitsplatzsuche zu verdeutlichen (wichtige Hinweise zum Ablegen des Studierendenstatus).

Zwei besondere Aspekte des Bürgergelds dürfen hier aber nicht fehlen:

1. Bürgergeld und Unterhalt der Eltern

Wenn eine Berufsausbildung abgeschlossen ist und danach Bürgergeld bezogen werden muss, so werden die Eltern nicht mehr wie zu Zeiten der Sozialhilfe vom Amt zu Unterhaltszahlungen zwangsverpflichtet, sofern das arbeitslose Kind nicht aus eigenem Antrieb eine Unterhaltsforderung gegen die Eltern erhebt oder bereits längere Zeit nach dem Studium Unterhalt gezahlt wurde (§ 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II).

Praktische Konsequenz ist an dieser Stelle: Für den Monat, in dem die letzte Ausbildungsunterhaltszahlung von den Eltern auf dem Konto eingeht, sollte ein Antrag auf Bürgergeld nicht gestellt werden!

2. Bürgergeld vor dem 25. Geburtstag

Bereits zu Beginn der Hartz IV - Umsetzung wurde folgende verschärfende Vorschrift beim Paragraphen eingefügt, der den Bedarf für "Kosten der Unterkunft" regelt:

"(...) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen."
(§ 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II, Stand: 1.1.2025)

Die "absichtliche Herbeiführung" kann bei Studierenden, die schon länger am Studienort unabhängig von den Eltern wohnen, nicht unterstellt werden. Aufforderungen, in den Elternhaushalt zurückzuziehen, sind in solchen Fällen vom Gesetz nicht gedeckt. Wer allerdings nach dem Studium freiwillig zu den Eltern zieht, unter 25 Jahren alt ist und wieder ausziehen möchte, ohne einen Job zu haben, muss dafür besondere Gründe haben, will er/sie trotzdem unmittelbar danach Leistungen vom Jobcenter beantragen. Das sollte in der Beratung genau betrachtet werden.

Bürgergeld-Bedarf
563,00 Regelbedarf für Alleinstehende (gültig für 2024 und 2025)
+ 320,00 Miete (ohne Strom)
= 883,00 Gesamtbedarf
Einkommensermittlung
520,00 Erwerbseinkommen Minijob
-100,00 Freibetrag nach § 10b Abs. 2 SGB II
-84,00 Freibetrag nach § 10b Abs. 3 SGB II (20% von 520-100 €)
= 336,00 anzurechnendes Einkommen
547,00 Auszahlung (883 € - 336 €)

 

Insgesamt stünden somit 520 € aus dem Minijob und ergänzendes Bürgergeld in Höhe von 547 € zur Verfügung, zusammen 1067 €. Klar ist, dass daneben Bewerbungsbemühungen bei der Vermittlungsabteilung nachzuweisen sind. Einnahmen aus dem Minijob sind monatlich vom Arbeitgeber für das Jobcenter nachzuweisen. Unangemeldete Abwesenheit kann Leistungskürzungen zur Folge haben. Du findest dieses Ausmaß an Bevormundung "unpraktisch" und möchtest lieber Wohngeld beantragen? Dazu mehr im nächsten Abschnitt.

Bei Verzicht auf Bürgergeld entfällt wieder die darüber abgewickelte Krankenversicherung und eine eigenstänge Versicherung ist gefragt. Die mögliche freiwillige Versicherung kostet ca. 260 €. Besser wäre es dann, mehr als 520 € zu verdienen und über den Job versichert zu werden. Unser Beispiel-Absolvent schafft es, sich auf 600 € Brutto zu steigern. Netto wäre das laut Übergangszonenrechner: 584,64 € (Stand: 1/2025).

Berechnung

In der Wohngeldermittlung wird zunächst nur die Bruttokaltmiete - hier 270 € - herangezogen und ab 2023 ein Heizkostenzuschlag von 110,40 € automatisch aufgeschlagen. Es gibt eine Obergrenze der Bruttokaltmiete, die aber in Oldenburg bei Single-Haushalten 530,20 € beträgt (Stand: 1.1.2025), selbst wenn man in einer WG wohnt.

Im Wohngeldgesetz wird das Brutto zum Ausgangspunkt der Berechnung gemacht. Es gehen 102,50 € als Werbungskostenpauschale ab (1230/12, Stand: 1.1.2025). Vom verbleibenden Wert sind 20% pauschal für Kranken- und Rentenversicherung abzusetzen, so dass 398 € als Input für die Wohngeldformel verbleiben.

Ergebnis: 328 € Wohngeld (Stand: 01.01.2025)

Insgesamt stehen folglich 584,64 € Nettogehalt + 328 € Wohngeld = 912,64 € zur Verfügung.

Glaubwürdigkeit des Wohngeldantrags bei der Wohngeldstelle

Wie hier beschrieben lehnen die Wohngeldstellen Anträge ab, wenn zu wenig Einkommen vorliegt, weil unterschlagenes Einkommen unterstellt wird. Im ersten Abschnitt hatten wir 883 € als Bürgergeld-Bedarf ermittelt. Dieser Betrag darf für die Prüfung beim Wohngeldamt auch um 20% des Regelbedarf unterschritten werden (20% von 563 € wären 112,60 €). In unserem Beispiel liegt das Gesamteinkommen incl. Wohngeld aber ohnehin über dem Sozialhilfeniveau.

Fazit

Unser Absolvent tauscht seine "Freiheit" rein ökonomisch betrachtet teuer ein. Stehen ihm in der Bürgergeld-Variante insgsamt 1067 € zur Verfügung, so sind es in der Wohngeld-Variante nur 912,64 € und er muss dafür unbedingt aus dem Minijobstatus heraus, damit die Krankenversicherung nicht zu teuer wird. Zusätzlich verliert er mit dem Bürgergeld-Status auch die problemlose Rundfunkbeitragsbefreiung.